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Die Ambidextrie der Innovation: Intrapreneurship Schulungen (Inhouse) als strategischer Anker für Unternehmenszukunft

  • Autorenbild: Julia  Heinevetter
    Julia Heinevetter
  • 14. Okt.
  • 6 Min. Lesezeit
Intrapreneurship Schulung Inhouse
Intrapreneurship Schulung Inhouse

Von: Julia Heinevetter (2025)


Abstract: Dieses Artikel zeigt anhand einer forschungsgeleiteten Analyse und Synthese akademischer Literatur, die Rolle des Intrapreneurships als strategischer Anker für die Zukunftsfähigkeit etablierter Organisationen (Kanter, 1985; March, 1991).


Die zentrale Herausforderung ist die Organisationale Ambidextrie – das gleichzeitige Managen von Effizienz und Innovation. Der Artikel identifiziert die gezielte Intrapreneurship Schulung (inhouse) als essenzielle Maßnahme zur Transformation des Entrepreneurial Mindsets der Belegschaft (Drucker, 1985). Ergänzt wird dies durch strukturelle Interventionen wie die Etablierung abteilungsübergreifender Teams (Clark & Wheelwright, 1992) und autonomer Freiräume. Nur diese Kombination aus kognitiver Befähigung und agilen Strukturen ermöglicht die notwendige Wissensdiversität (Huang & Newell, 2003) und sichert so das proaktive Erschließen neuer Geschäftsfelder.



  1. Problemaufriss

Etablierte Unternehmen sind heute mit dem fundamentalen Konflikt der Organisationalen Ambidextrie konfrontiert (March, 1991): Sie müssen ihr aktuelles Kerngeschäft durch Effizienzsteigerung (Exploitation) aufrechterhalten, während sie gleichzeitig gezwungen sind, radikale Innovationen und neue Geschäftsfelder (Exploration) zu entwickeln. Der zentrale Pain Point vieler Organisationen liegt in der internen Spannung dieses Dilemmas: Die etablierten hierarchischen und prozessorientierten Strukturen, die für die Exploitation optimiert sind, ersticken oft die risikobereite, agile Denkweise der Exploration und Innovation.

Dieses strukturelle Problem wird durch eine Reihe akuter externer und interner Krisenfelder massiv verschärft:


  1. Agilitätsdefizit in der VUCA-Welt: Die anhaltende Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA) zwingt Organisationen zu einer Leadership Agility und kognitiven Flexibilität, die in traditionellen Strukturen chronisch fehlt (Syamsir, Saputra & Mulia, 2025).


  2. Innovations- und Produktivitätskrise: Die interne Innovationsfähigkeit leidet unter unzureichenden digitalen Kompetenzen. Die notwendige, schnelle Anpassung an KI-Technologien verschärft diese Produktivitätskrise zusätzlich (Syamsir, Saputra & Mulia, 2024).


  3. Talentkrise: Der anhaltende Fachkräftemangel macht die Attraktivität für Talente, die ihre Ideen umsetzen wollen, essenziell. Die Ermöglichung von Intrapreneurship dient hier als wichtiger Faktor zur Mitarbeiterbindung und Talentförderung (Buekens, 2025).


Die Lösung zur Bewältigung dieses doppelten Dilemmas – der Ambidextrie und der akuten Krisen – liegt in der Kultivierung des Intrapreneurships – des unternehmerischen Handelns innerhalb des Unternehmens. Durch den gezielten externen Einkauf von Qualifizierungsmaßnahmen können Unternehmen die notwendige Brücke zur Start-up-Mentalität schlagen, ohne ihre Kernprozesse zu gefährden.


  1. Kultureller Wandel: Das Entrepreneurial Mindset insourcen

Die erfolgreiche Implementierung von Intrapreneurship beginnt bei den Köpfen der Mitarbeitenden. Daher dient externe Weiterbildung als effektiver Katalysator, um das für Innovationen notwendige Entrepreneurial Mindset in die Belegschaft zu tragen (Drucker, 1985). Diese Programme, oft als Intrapreneurship Schulung (inhouse) konzipiert, gehen über bloße Methodenschulung hinaus und fokussieren auf die Neuprogrammierung der kognitiven Entscheidungslogik der Mitarbeitenden (Ireland et al., 2006).


Inhalte der kognitiven Transformation

Transformation der Denkweise

Effektuierung (Effectual Reasoning)

Intrapreneure werden darin geschult, Entscheidungen anhand der ihnen bereits zur Verfügung stehenden Mittel zu treffen, anstatt sich von vorab definierten Zielen limitieren zu lassen. Diese Logik der Effektuierung reduziert das wahrgenommene Risiko beim Start neuer Initiativen (Sarasvathy, 2001).

Umgang mit Misserfolg

Externe Programme vermitteln die Akzeptanz, dass Scheitern ein notwendiger Bestandteil des Lernprozesses ist. Dies fördert die psychologische Sicherheit in Teams, welche die Grundlage für Experimentierfreudigkeit und offene Kommunikation bildet (Edmondson, 1999, Shepherd, 2003).

Ressourcen-Leverage

Die Schulung lehrt, wie begrenzte interne Budgets und Ressourcen wie im Bootstrapping maximal eingesetzt werden, was die Eigenverantwortung der Intrapreneure erhöht (Kanter, 1985).

Lean Start-up (Build-Measure-Learn)

Die Methode lehrt, Ideen schnell in Minimum Viable Products (MVP) umzusetzen, Feedback zu messen und kontinuierlich zu lernen. Dies minimiert die Verschwendung von Ressourcen und beschleunigt den Validierungsprozess (Ries, 2011).


Die kognitive Befähigung ist jedoch nur die halbe Miete. Um das in den Trainings Gelernte in die Realität umzusetzen, muss das Unternehmen die organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, die das unternehmerische Handeln unterstützen.


Innovatives Team in einer Intrapreneurship Schulung (Inhouse)
Transformation der Denkweise in Intrapreneurship Schulungen (Inhouse)

Das folgende Kapitel beleuchtet daher die notwendigen strukturellen Interventionen.


3. Strukturelle Interventionen: Autonomie, Teams und Anreize

Die Investition in Schulungen ist unzureichend, wenn die Unternehmensstrukturen das unternehmerische Handeln der Mitarbeitenden unterdrücken. Empirische Studien zeigen, dass das Fehlen organisatorischer Unterstützung ein Hauptgrund für das Scheitern interner Neugründungen ist (Kanter, 1985). Externe Beratungs- und Weiterbildungsanbieter müssen daher Konzepte zur Modifikation der Unternehmenskultur und -organisation liefern:


3.1. Die strategische Notwendigkeit abteilungsübergreifender Teams

Innovationen, insbesondere radikale, überschreiten fast immer die Grenzen einzelner Funktionsbereiche. Um die Komplexität neuer Geschäftsmodelle zu beherrschen, ist die Bildung abteilungsübergreifender (cross-functional) Intrapreneurship-Teams von entscheidender Bedeutung (Clark & Wheelwright, 1992). Diese Teams integrieren Wissen und Kompetenzen aus unterschiedlichen Disziplinen (z. B. Technik, Marketing, Finanzen) (Griffin & Hauser, 1996). Die interdisziplinäre Zusammenarbeit, trainiert durch eine Intrapreneurship Schulung inhouse, führt zu einer Diversität der Perspektiven, die die Qualität der Problemlösung erhöht und eine umfassendere Validierung von Produkt- oder Serviceideen ermöglicht (Huang & Newell, 2003).


3.2. Schaffung von Freiräumen und Management-Sponsoring

Um diesen Teams die effektive Arbeit zu ermöglichen, sind weitere strukturelle Maßnahmen erforderlich. Hierzu gehört die Etablierung von temporären, autonomen Einheiten (z. B. Corporate Accelerators), die den Intrapreneuren erlauben, entkoppelt von der starren Bürokratie des Kerngeschäfts zu agieren. Diese Autonomiezonen schützen die Exploration vor den Effizienzanforderungen der Exploitation (Kanter, 1985). Des Weiteren ist die Akzeptanz von Venture-Projekten auf ein klares Verfahren zur Allokation von Ressourcen durch das Top-Management angewiesen. Externe Trainingsprogramme helfen oft, diese Entscheidungsstrukturen zu formalisieren und die Management-Ebene aktiv in die Rolle des Förderers einzubinden (Ireland et al., 2006).


Die Synthese aus kognitiver Befähigung (Kapitel 1) und struktureller Unterstützung, insbesondere in interdisziplinären Teams (Kapitel 2), bildet die Grundlage für eine nachhaltige Innovationsstrategie. Das abschließende Fazit fasst diese Implikationen für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zusammen.


  1. Fazit und strategische Implikation

Die strategische Nutzung extern eingekaufter Intrapreneurship-Programme ermöglicht es etablierten Organisationen, die Agilität der Start-up-Welt gezielt zu insourcen und die erforderliche organisationale Ambidextrie zu entwickeln (March, 1991). Die gezielte Bildung abteilungsübergreifender Intrapreneurship-Teams, basierend auf einer fundierten Intrapreneurship Schulung (Inhouse), ist dabei der operative Schlüssel, um die Diversität des Wissens für komplexe Innovationen nutzbar zu machen und aktuellen Krisen zu begegnen. Die Investition dient nicht nur der individuellen Kompetenzentwicklung, sondern löst den tief sitzenden Pain Point der strukturellen Innovationsbremse. Intrapreneurship ist somit der essenzielle Mechanismus, um die Belegschaft zu befähigen, eigenverantwortlich und proaktiv die Zukunftsfelder zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig zu sichern.


Referenzen


Awotunde, O. M., & Aregbeshola, A. R. (2024). Navigating the future workplace: intrapreneurship training and development for enhanced performance and organizational productivity. International Journal of Research in Business and Social Science, 13(2), 127–136.


Buekens, W. (2025). Fostering Intrapreneurship: The Challenge for a New Game Leadership. (Angenommen zur Veröffentlichung, August 2025).


Christensen, C. M. (1997). The Innovator's Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail. Harvard Business School Press.


Clark, K. B., & Wheelwright, S. C. (1992). Organizing and Managing Product Development. Harvard Business Review, 70(2), 108-118.


Drucker, P. F. (1985). Innovation and Entrepreneurship: Practice and Principles. Harper & Row.


Edmondson, A. (1999). Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350-383.


Griffin, A., & Hauser, J. R. (1996). Integrating R&D and Marketing: A Review and Analysis of the Literature. Journal of Product Innovation Management, 13(3), 191-215.


Huang, S. J., & Newell, S. (2003). Knowledge integration processes and the performance of cross-functional teams. European Journal of Information Systems, 12(4), 282-293.


Hurst, D. K. (2012). The “war for talent”: Is your company prepared? Ivey Business Journal, 76(3), 1–7.


Ireland, R. D., Kuratko, D. F., & Morris, M. H. (2006). A Model for the Assessment of Entrepreneurial Orientation within Organizations. Journal of Management Studies, 43(5), 969-990.


Kanter, R. M. (1985). Supporting Innovation and Venture Development in Established Companies. Journal of Business Venturing, 1(1), 47-65.


KfW Research (Gerstenberger, J. & V. Köhler) (2025). Mittelstand stellt sich auf Herausforderungen durch demografischen Wandel ein. Fokus Volkswirtschaft Nr. 489.


March, J. G. (1991). Exploration and Exploitation in Organizational Learning. Organization Science, 2(1), 71-87.


Ries, E. (2011). The Lean Startup: How Today's Entrepreneurs Use Continuous Innovation to Create Radically Successful Businesses. Crown Business.


Sarasvathy, S. D. (2001). Causation and Effectuation: Toward a Theoretical Shift from Economic Inevitability to Entrepreneurial Contingency. Academy of Management Review, 26(2), 243-263.


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Teece, D. J. (2018). Profiting from innovation in the digital economy: Standards, complementarity, and competition. Research Policy, 47(8), 1367-1387.


Erstveröffentlichung: 14.10.2025

© 2025 Julia Heinevetter



Über die Autorin: Julia Heinevetter ist Wirtschaftspädagogin und spezialisiert auf Entrepreneurship Education. Sie unterstützt u.a. mittelständische Unternehmen bei der Implementierung agiler Innovationsstrukturen. Sie studierte Wirtschaftspädagogik mit Schwerpunkt Entrepreneurship Education an der Universität Kassel.


Julia Große, Verena Liszt-Rohlf, Alexandra Baldwin

Pages 203-226

 
 
 

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